Wo immer Laxness auch unterwegs war, führte er stets ein Notizbuch bei sich, in dem er festhielt, was ihm durch den Sinn ging oder was für das Buchprojekt, das er gerade verfolgte, von Wichtigkeit war. In einem dieser Hefte aus den fünfziger Jahren findet sich eine Art Programmerklärung über das 1957 erscheinende Fischkonzert, die sich auch auf die meisten anderen Werke Laxness' übertragen läßt.
Ganz zu Anfang des Notizbuchs hält der Schriftsteller fest, was er mit dem neuen Roman sagen will:
"'Das Verborgene Volk', das einfache, 'unverdorbene' Volk - und doch so unendlich schwach, wenn man es aus der Warte der Moraltheologie oder anderer Ethiken betrachtet. Das Buch soll eine Ode an es werden, der Beweis, daß es gerade dieses einfache Volk ist, das alle friedlichen, humanen Werte hervorbringt. Die Hauptperson [des Romans] hat ihre Wurzeln in der stillen Tiefe des einfachen Volks, und [diese schlichten Menschen], denen er in seiner Kindheit begegnet, sorgen dafür, daß ihm alle Schätze der Welt nichts bedeuten, als sie sich ihm darbieten, - auf Grund des Heimwehs zu ihnen und danach, die ruhige Tiefe des einfachen Lebens wiederzufinden."
Das Fischkonzert ist also ein Lobgesang auf die einfachen Menschen, die treu und ehrlich ihre Arbeit tun, ohne überheblich zu werden, eine Ode auf das einfache Leben und auf die kleinen Leute, die Halldór Laxness näher standen als irgendeine andere Schicht. Um das noch stärker herauszustreichen, heißt es etwas später im Notizbuch:
"Zwei Sorten von Isländern: Die extrovertierten Phantasten, die pausenlos quatschen und sich aufspielen, die die Gesellschaft nach außen hin prägen und die High Snobiety bilden, - und das Verborgene Volk... das über fast alles verfügt, was Menschen auszeichnen soll, nur nicht über den Drang, sich selbst ins Rampenlicht zu stellen. Es bildet den eigentlichen Kern unter allem, ist das Element, das dafür gesorgt hat, daß es überhaupt noch menschliches Leben auf Island gibt. Es ist das Volk, das alle bedeutenden Leistungen vollbringt, sich damit aber nie in den Vordergrund spielt, sodaß nie jemand von ihm hört und die High Snobiety es niemals zur Kenntnis nimmt."
An anderer Stelle erläutert er noch einmal das, was hier High Snobiety genannt wird: "Verschworene Gemeinschaft mikroskopisch kleiner Lokalgrößen, die sich gegenseitig belobhudeln." Mit anderen Worten eine Gesellschaft von Speichelleckern und Arschkriechern.
Das Verborgene Volk, das einfache Volk, ist somit die schweigende Masse, die alles enthält, was von Wert und Bedeutung ist. Von daher ist es nicht weiter verwunderlich, daß Laxness vor allen anderen den Kanalarbeitern von Sundsvall für ihr Glückwunschtelegramm zum Nobelpreis danken wollte, jenen Männern, "die tief in den Eingeweiden der Erde über die Abflußrohre gebeugt stehen und versuchen, die Abwässer der Zivilisation zum Abfließen zu bringen, sich plötzlich aufrichten, aus ihren Schächten in die Tristesse eines dunklen Wintertages in Sundsvall aufsteigen, um ein Hurra auf die Literatur auszubringen." Für Laxness war es das Vorrangigste, dem Verborgenen Volk für seine Glückwünsche zu danken.
Halldór Laxness' Achtung vor den einfachen Leuten ist nach meiner Meinung der Hauptgrund für die Verehrung, die er bei den Isländern - und bei anderen Nationen - fand. In seinen Büchern gibt es einen gemeinsamen Kern - oder reinen Ton -, der zu allen Menschen spricht, unter welchen Umständen sie auch leben. In seinen Werken gelang es ihm, die Welt in isländischer Literatur einzufangen. In diesem Mikrokosmos sind die Schicksale der Personen allen Menschen verständlich, gleich wo sie auf der Welt leben.